Emotionale Sicherheit beim Lernen bedeutet: Die meisten Lernsituationen finden gemeinsam mit anderen statt. Ein Lernen im Team, einer Seminargruppe, Klasse oder wie auch immer aufgestellten Gemeinschaft kann nicht gelingen, wenn eines fehlt – die psychologische Sicherheit. Das bedeutet, es herrscht eine Lernatmosphäre, in der sich jeder frei äußern kann. Ideen, neue Perspektiven und das Zugeben von Fehlern, ohne Angst zu haben. Aus Angst vor beschämender Kritik, Ablehnung oder abfälligen Reaktionen halten viele Lernende ihre Sichtweisen zurück. Nicht selten spielen auch allzu dominante, unempathische und vermeintlich sicher auftretende Trainer, Lehrer oder Dozenten eine Rolle bei diesem Gefühl der Unsicherheit. Lerngäste, die psychologische Sicherheit in den Lernsettings erfahren, fühlen sich frei und stark genug, ihre Bedenken oder Ideen auszusprechen – ohne Angst zu haben, beschämt, gedemütigt, beschuldigt oder ignoriert zu werden.
Kann ich das Risiko von Lernbeziehungen eingehen?
Die Atmosphäre im Lernraum ist so sicher, dass ich das Risiko von Beziehungen eingehen kann. Im besten Fall so sicher, dass ich mich quasi verpflichtet fühle, meine Gedanken zu äußern, um etwas zum echten und nachhaltigen Lernerfolg aller beizutragen. Wir alle wissen, dass ein kleiner Gedanke von Lerngästen eine besondere Wirkung haben kann. Er kann Großartiges zum Lernerfolg einer ganzen Gruppe beitragen – wenn jemand sich traut, ihn auszusprechen. Gerade in angespannten Momenten ist es besonders schwierig, offen und wertschätzend miteinander umzugehen – wenn die psychologische Sicherheit fehlt. Google hat in einer umfassenden Studie mit über 180 Teams die psychologische Sicherheit als das Basismerkmal wirklich erfolgreicher Teams ausgemacht.
Die Angst vor Zurückweisung
Die Angst davor, zurückgewiesen zu werden, ist oft so stark, dass sie alle anderen Folgeerscheinungen überwiegt. In der Psychologie nennt man dieses Phänomen „das Abwerten der Zukunft“. Das Risiko, heruntergemacht zu werden, wird gegen die Bedeutung einer genialen Idee oder einer elementaren, vielleicht lebenswichtigen Kritik abgewogen. Das „Heruntermachen“ wird überbewertet und die geniale Idee unterbewertet. So wird echter und nachhaltiger Lernerfolg verhindert. Die meisten von denen, die „vorne stehen“, wissen nicht um die äußerst starke Bedeutung dieser Angst und fehlenden psychologischen Sicherheit. Viele Studien belegen, wie die Harvard Professorin Amy C. Edmondson es zusammenfasst, was ein Klima der Angstfreiheit für Lernen bedeutet: eine deutlich bessere Lernleistung.
Was heißt das für das Lernsetting?
Um diese Atmosphäre einer psychologischen Sicherheit herzustellen, müssen bestimmte Voraussetzungen in Lernsettings geschaffen werden. Es ist wichtig, dass es ein gemeinsames Lernziel gibt und sich alle über dieses Lernziel einig sind. Das heißt nichts anderes, als den Sinn des Lernens verinnerlicht zu haben. Gleichzeitig sollte allen klar sein, dass Scheitern möglich ist. Scheitern ist immer Teil eines Lernprozesses.
Darüber hinaus laden Lernkomplizen explizit alle Lerngäste ein, den Mund aufzumachen und zu sagen, was sie denken. Sie vertreten und äußern ihre Haltung, dass sie „Mitlernende“ sind und keine „Besserwisser“. Diese authentische Form der Demut öffnet viele Türen. Aber glaube mir, nur wenn Du es ernst meinst. Fragst Du direkt nach anderen Sichtweisen alternativ zu Deiner Perspektive? Dann tue es ab morgen. Und schaffe darüber hinaus Strukturen, um systematisch Ideen, Kritik und Bedenken abzufragen.
Kannst du die Bedeutsamkeit deiner Aussagen fühlen?
Lass Deine Lerngäste fühlen, dass ihre Aussagen bedeutsam sind. Dafür ist es wichtig, dass Du von Anfang an eine wertschätzende Reaktion zeigst und auch andere aufforderst, dies zu tun. Du bist der Lernkomplize und wenn es sein muss, sanktioniere Verstöße gegen die gemeinsamen Absprachen und Regeln und gegen die Werte in Deiner agilen Lernkultur. Du bist der Lernkulturgestalter in diesem Lernsetting.
Hinterfrage Dich immer wieder, ob Deine Lernsettings so gestaltet sind, dass sie der Definition einer sicheren Umgebung gerecht werden. Emotionen beeinflussen unsere Aufmerksamkeit. Wenn die Situation nicht sicher ist und eine Bedrohung sein könnte, können wir uns nicht mehr auf etwas anderes konzentrieren. Wenn eine Lernsituation räumlich, sozial und emotional nicht sicher ist, kann Lernen nicht stattfinden.
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